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Folgender Artikel erschien am 13. August 2015 bei „Der Landbote“

Wenn mit links alles leichter geht

Dachsen Andrea Frei unterstützt als Familienpädagogin Linkshänder, die auf rechts umerzogen wurden und
auf links umschulen wollen. Wie gut das tun kann, erlebt sie an sich und ihrem Sohn. «Menschen, die von der linken Hand auf die rechte umerzogen wurden, leiden öfters an Blockaden », sagt Andrea Frei. Im Rahmen
des Familiencoachings, das sie als systemische Familienpädagogin anbietet, stosse man öfters auf das Thema verdeckter Linkshändigkeit.
Auf Wunsch führt die 42-jährige Dachsemerin dann Rückschulungen durch. Das heisst: Sie hilft, wenn jemand, der umerzogen wurde, zur Linkshändigkeit zurückfinden will. «Das ist ein komplexer Prozess», sagt sie,
der auch mit Neurologie zu tun habe. Der Rechtshänder arbeitet mit der linken Hirnhälfte, der Linkshänder mit der rechten.»

«Das gute Händchen»

Auch Andrea Frei hat 40 Jahre lang ihren Hang zur Linkshändigkeit unterdrückt, wie sie glaubt. Sie erinnere sich noch genau, dass ihr Vater jeweils zu ihr sagte: «Nimm das gute Händchen, nicht das schlechte.» Dass sie eine verdeckte Linkshänderin sein könnte, diese Einsicht kam der dreifachen Mutter aber erst im Rahmen
ihrer dreijährigen Ausbildung zur Familienpädagogin. Mittlerweile ist sie überzeugt, dass es so ist. Beeindruckt hat sie, welche Folgen für die Betroffenen mit einer Umerziehung einhergehen können:
«Das Gehirn eines verdeckten Linkshänders muss wegen des sogenannten Brain-Breakings 30 Prozent mehr Leistung erbringen.» Das könne zu Überforderung, Gedächtnisschwäche, Konzentrationsschwierigkeiten
und motorischen Störungen führen. Bis zu ihrer Ausbildung hatte sie ihrem Sohn, der auch Linkshänder
ist, erst recht alles in die rechte Hand gegeben, wie sie sagt. «Wie damals mein Vater mir.»
Doch das kam bei Nio gar nicht gut an. «Er rastete öfters aus, schmiss zum Beispiel die Schere hin und schrie: Ich kann das nicht.»
In der Ausbildung am Coaching-Center Ehrlich in Stein am Rhein lernte Andrea Frei, dass es falsch ist, das Kind auf die andere Hand umpolen zu wollen. «Da konnte ich das aggressive Verhalten meines Kleinen begreifen lernen. » Er war offensichtlich verzweifelt und überfordert. Mit einer Rechtshänderschere links zu schneiden, sei ja auch schwierig.
Inzwischen ist im Hause Frei wieder mehr Ruhe eingekehrt: Der Sechsjährige darf nun seine linke Hand nach Herzenslust gebrauchen – und hat dafür auch die richtigen Utensilien zur Hand: Schere, Spitzer und Füller für Linkshänder sowie einen rechts gehefteten Spiralblock.

Kinder beobachten

Die Händigkeit, also welche Hand man bevorzugt, hängt damit zusammen, welche Hirnhälfte dominiert. Bei Rechtshändern ist es die linke. Bei Kindern könne man nur durch Beobachtung herausfinden, mit welcher Hand sie schneller und exakter agieren, sagt Andrea Frei. Vor allem, wenn spontane Reaktionen gefordert sind, oder bei Tätigkeiten komplexerer Art. «Auch wenn Linkshänder heute in der Schule nicht mehr rechts schreiben müssen, sind sie noch nicht wirklich in die
Gesellschaft integriert», bedauert Andrea Frei. An Wissen über Linkshändigkeit mangle es nicht. «Aber die Folgen, die durch Umerziehung entstehen können, sind noch zu wenig bekannt.»

Dagmar Appelt